"Das Osterfest

Die Auferstehung und das Leben"

Broschüre 308 „Das Osterfest“
Teil I
Der physische Körper ersteht nicht auf

Weihnachten und Ostern, die Geburt und die Auferstehung von Jesus, sind die zwei Hauptfeste der Christen. Das erste findet am Beginn des Winters statt, und das zweite ist im Frühling. Warum…? Man weiß nichts Genaues über die Geburt von Jesus, und das Osterfest ändert sein Datum jedes Jahr, da man es am Sonntag, der auf den ersten Vollmond im Frühling folgt, feiert. Womit stimmen diese Zeitpunkte also überein?

In Wirklichkeit muss uns der Platz von Weihnachten und Ostern im Kalender verstehen lassen, dass diese Feste symbolisch und in Verbindung mit dem Leben der Natur zu interpretieren sind. Diejenigen, die vor langer Zeit das Datum festgelegt haben, besaßen eine große Wissenschaft. Sie kannten die Verbindungen, die zwischen den Manifestationen der menschlichen Seele und den Erscheinungen in der Natur, die wie die Seele von göttlicher Essenz ist, existieren. Sie hatten tief über das Leben von Jesus und seine Lehre nachgedacht und verstanden, dass, als er sich mit dem kosmischen Prinzip des Christus identifiziert hatte, in ihm ein ideales Zusammentreffen von dem spirituellen Leben und dem der Natur, dem Leben des Universums stattgefunden hatte.

Und dann sind andere gekommen, Theologen, Päpste, Kardinäle, und es mag sein, dass sie es nicht richtig verstanden hatten, es mag sein, dass sie nicht verstehen wollten, und sie machten keinen Unterschied mehr zwischen dem Menschen Jesus und den kosmischen Realitäten, deren lebendiger Ausdruck er geworden war, als er sich mit dem Christus identifiziert hatte. Sie verwechselten, was der physischen Welt angehört und was der Welt der Symbole angehört. Und wenn die Christen noch immer ein so starkes Bedürfnis haben, etwas Wunderbares im Leben von Jesus zu sehen (seine Geburt durch das Einwirken des Heiligen Geistes und seine Auferstehung drei Tage nach seinem Tod), dann, weil sie noch nicht gelernt haben, was das spirituelle Leben wirklich ist und wie es mit dem Leben der Natur verbunden ist. Indem sich das Christentum so deutlich wie möglich von dem Heidentum, das sich durch den Kult der Naturkräfte kennzeichnete, unterscheiden wollte, hat es das lebendige Band mit dem Universum durchtrennt. Deshalb entgeht den Christen jetzt noch immer der tiefe Sinn ihrer Religion. Sie feiern die Geburt von Jesus am 25. Dezember, sie feiern seine Auferstehung im Frühling, und viele wissen nicht einmal warum. Nur einige Eingeweihte, die die wahre Wissenschaft der Symbole besitzen, sehen in der Geburt und in der Auferstehung von Jesus Vorgänge, die in Beziehung mit dem kosmischen Leben stehen und die somit eine universelle Bedeutung haben.

Weihnachten und Ostern stellen zwei wesentliche Seiten aus dem Buch der Natur dar. Auf diese Weise müssen wir über das Leben von Jesus meditieren. Jesus ist natürlich eine historische Figur, aber wir müssen uns gar nicht so sehr damit beschäftigen, wo er geboren wurde, wer sein Vater und seine Mutter waren, welche Wege er in Judäa, Galiläa oder Samaria gegangen ist und wem er begegnet ist… Und es bringt auch nichts, alle möglichen wunderbaren Geschehnisse über ihn zu erfinden, so, als ob die Gesetze der Natur auf ihn keinen Einfluss gehabt hätten. Eines muss klar sein: Die Erhabenheit von Jesus kommt nicht daher, dass er den Gesetzen der Natur entkommen wäre, sondern im Gegenteil, dass er es verstand, ihre Gesetze zu lesen, sie zu interpretieren und sie im inneren Leben anzuwenden.

Jedes Jahr im Frühling feiern die Christen also das Osterfest. An diesem Tag lesen und kommentieren sie die Stelle in den Evangelien, die über die Auferstehung von Jesus berichtet: »Als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß. Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa« (Mk 16,1).

Und was lehrt die Kirche jetzt die Christen? So wie Jesus gestorben und auferstanden ist, werden am Ende der Zeit alle Toten auferstehen, sie werden aus den Gräbern kommen, um gerichtet zu werden: Die Bösen werden zu endlosen Bestrafungen verurteilt werden und die Guten werden eine ewige Glückseligkeit kosten…

Seit dem Beginn der Geschichte der Menschheit, das heißt seit Millionen von Jahren, warten alle, die gestorben sind, darauf, mit ihrem physischen Körper aufzuerstehen, um vor Gericht zu stehen. Nun, ich glaube nicht an diese Auferstehung. Warum? Ein Mensch stirbt und man beerdigt ihn. (Lassen wir den Fall von Feuerbestattungen beiseite.) Nun geschieht in etwa das Gleiche wie in einer Druckerei, die Bücher mit Buchstaben aus Blei herstellte. Wenn der Druck eines Buches abgeschlossen war, wurden die Lettern in kleine Fächer geräumt, von wo sie später wieder genommen wurden, um in einer anderen Anordnung einen neuen Text zu bilden. Auf die gleiche Weise stellen die »Buchdrucker«, die Engel der vier Elemente, den Körper eines Menschen, der sich inkarnieren soll, mit Teilchen von Erde, Wasser, Luft und Feuer zusammen. Und wenn er stirbt, zersetzt sich dieser Körper nach und nach. Nach einiger Zeit bleiben nur noch Knochen und dann verschwinden auch die Knochen. Wo sind alle Elemente hingegangen, aus denen der Körper bestanden hatte? Sie sind zurückgekehrt, um sich in der Erde, im Wasser, in der Luft und im Feuer aufzulösen, und von dort werden sie bald wieder gerufen werden, um an der Erbauung neuer Körper teilzunehmen.

In welchem Körper werden die Toten am Ende der Zeit also auferstehen, da dasselbe Material für die Bildung von vielen Generationen von Geschöpfen gedient haben wird? Um die einen wiederherzustellen, würde man notwendigerweise die anderen zersetzen müssen, und so würde sogar das ganze Universum zertrümmert werden, damit jedem die Teilchen seines Körpers zurückgegeben werden können.

Und wenn man dann an alle Monster, Mörder und Henker denkt, die auf der Erde gelebt haben, und auch an alle, die krank waren, Geschwüre oder Syphilis hatten… Welches Schauspiel würde das sein, wenn sie am Tag der Auferstehung erscheinen würden und auf ihren Beinen stehen, um gerichtet zu werden? Und wie viele Milliarden Leute wurden, seitdem es die Menschheit gibt, geboren und sind gestorben? Man kann das nicht einmal berechnen. Wo wird man sie unterbringen, wenn sie wiederkehren werden? Es wird niemals genug Platz geben.

Also frage ich euch, die ihr doch Ästheten seid, wie ihr diese Aussicht findet! Reizend, nicht wahr? All diese Leute in Fleisch und Blut wiederzusehen, wie sie aneinandergedrückt  dastehen… Ich bedaure nur die Richter, mein Gott, die himmlischen Richter tun mir wirklich leid. Wie sollen sie diese Gerüche ertragen? Denn alles muss doch so werden, wie es war. Ja, denn wie soll man jemanden richten, wenn man seinen Geruch nicht kennt? Um das Urteil sprechen zu können, müssen alle Beweise, alle Beweisstücke vorliegen… Wie werden diese erhabenen Geister so viel Hässlichkeit aushalten? Ich weiß wohl, dass sich in dieser Menge einige Heilige und Propheten befinden werden, aber sie werden in der Minderheit sein und sie werden in der Masse verloren gehen wie ein Tropfen Wasser im Ozean.

Arme Christen! Und sie erfreuen sich an der Vorstellung, dass eines Tages diese ganze Menschheit auferstehen wird: ihre Onkel, Tanten, Großväter… Zur Zeit warten alle diese Leute noch bewegungslos, seit Millionen von Jahren schlafen sie in ihren Gräbern. Da hat der Herr aber eine schöne Schule für Faulpelze erfunden! Wie viel Geduld muss Er haben, dass Er die Menschen so lange regungslos herumliegen lässt, ohne dass sie der kosmischen Ökonomie irgendwie dienlich sind! Wie kann der Herr, der doch so aktiv ist, eine solche Untätigkeit dulden, Er, der unaufhörlich einen neuen Himmel und eine neue Erde erschafft und sich niemals ausruht…? Ihr werdet sagen, dass in der Genesis steht, dass Er sich am siebenten Tag ausgeruht hat. Ja, aber dieses Ruhen am siebenten Tag war, wie es scheint, in Wirklichkeit eine andere Arbeit. Ich bin immer wieder darüber erstaunt, wie die Christen die Dinge verstehen.

Die Auferstehung des Fleisches ist eines der Dogmen des Christentums, aber es kann vor der Logik und dem gesunden Menschenverstand nicht bestehen. Das Fleisch wird nicht auferstehen, denn die Toten erstehen nicht auf. Der physische Tod ist ein endgültiger Prozess. Kein Toter kann in seinem physischen Körper auferstehen. Wenn es manchmal so schien, dass einige ins Leben zurückgeführt wurden, dann deshalb, weil sie nicht wirklich tot waren.

Sogar wenn man von jemandem sagt, dass er tot ist, hat ihn das Leben nicht vollkommen verlassen. Der Beweis ist, dass er noch für einige Zeit genügend lebendige Zellen bewahrt und dass man manche Organe von ihm in eine andere Person verpflanzen kann. Und über Jahrhunderte, als die medizinischen Kenntnisse noch recht begrenzt waren, ist es oft passiert, dass man den Tod und das Koma verwechselte. Deshalb konnte man denken, dass ein Mensch, der nach einiger Zeit aus diesem Koma erwachte, auferstanden sei, wobei er aber ganz einfach nicht tot gewesen war.

Ihr werdet sagen: »Aber Jesus hat wirklich Tote auferweckt. Die Evangelien berichten die Fälle von Lazarus, von der Tochter des Jairus und von anderen auch…« Wenn er sie ins Leben zurückgeführt hat, dann weil sie in Wirklichkeit nicht gänzlich tot waren. »War das dann also nicht wirklich ein Wunder?« Doch, denn um diese Männer und Frauen ins Leben zurückzuführen, war es notwendig, dass Jesus nicht nur sehr rein war, sondern dass er auch ganz und gar außergewöhnliche Kräfte besaß.

Als man dem Synagogenvorsteher Jairus verkündet, dass seine Tochter tot sei, sagte Jesus: »Weint nicht! Sie ist nicht gestorben, sondern sie schläft« (Lk 8,52). Und über Lazarus sagte er auch: »Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken« (Joh 11,11). Sie waren also nicht wirklich tot. Aber um sie aus diesem »Schlaf« zu reißen, brauchte es die Kraft von Jesus. Weil die Silberschnur, dieses fluidische Band, das die Seele als Prinzip des Lebens an den physischen Körper bindet, noch nicht durchtrennt war, konnte er die Seele zurückrufen und sie in den Körper eintreten lassen. Aber wenn die Silberschnur reißt, dann stirbt der Mensch und kein magisches Ritual und keine Beschwörung können ihn ins Leben zurückführen. Seine Seele kehrt nicht wieder zurück, aber sie wird woanders geboren, in einer anderen Welt.

Ihr müsst das gut verstehen. Wenn ein Mensch tot ist, wirklich tot, dann kann er nicht auferweckt werden, dann kehrt er nicht in die Welt der Lebenden zurück. Dieses Gesetz gilt für alle Menschen, sogar für Jesus. Wenn also Jesus, nachdem er vom Kreuz genommen und begraben wurde, das Grab verlassen hat, dann deshalb, weil er nicht tot war. »Wie bitte?!«, werdet ihr sagen, »er war nach einer derartigen Qual nicht tot?« Wenn er das Grab verlassen und dann Maria Magdalena und einige seiner Jünger getroffen hat, dann weil er nicht tot war. Dass er diese Qual überleben konnte, ist außergewöhnlich, fast unglaublich, aber es gibt dafür eine Erklärung. Nicht nur in dieser Inkarnation, sondern auch in seinen vorhergehenden Inkarnationen hatte Jesus eine gigantische Arbeit an sich selbst geleistet und alle Zellen seines Körpers waren derart belebt, gereinigt und erleuchtet, dass sie den Leiden der Passion und der Kreuzigung standhalten konnten. Die Silberschnur ist nicht gerissen, und so konnten seine Freunde und Nahestehenden seine Wunden heilen.
Seit zweitausend Jahren lehrt die Kirche, indem sie sich auf den Bericht der Evangelien und die Apostelgeschichte beruft, dass Jesus am Kreuz gestorben und dann auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist. Aber das entspricht nicht den Tatsachen. Ich bedaure es aufrichtig, das christliche Bewusstsein schockieren und durcheinanderbringen zu müssen, aber das entspricht nicht den Tatsachen.

Was weiß man vom Leben von Jesus? Die Evangelien berichten nichts über die Zeit zwischen seinem zwölften und dreißigsten Jahr. Es gibt da eine gewaltige Leere, die einige mit allen möglichen Vermutungen zu füllen versucht haben, indem sie Legenden erschufen oder wieder aufleben ließen. Für einige ist er in Palästina geblieben, für andere ist er nach Indien oder nach Ägypten gereist.

Es existieren Schriftstücke, die die Anwesenheit von Jesus in Indien bezeugen. Bei meinem ersten Aufenthalt in Indien konnte ich in einem Kloster in Ladakh ein dort gut behütetes Buch lesen, von dem ich auch eine Kopie in einem Kloster in Kalkutta gefunden habe. Um es lesen zu können, musste ich jeden Tag ins Kloster gehen, denn die Mönche erlaubten nicht, dass man es sich ausleiht. Ich habe dieses Buch in einer englischen Übersetzung gelesen. Man berichtet dort, wie ein sehr junger Mann namens Isa mit einer Karawane aus Palästina in Indien ankam. Er studierte mehrere Jahre lang, und um zu studieren, musste er die Brahmanen aufsuchen, denen er sich letztendlich entgegenstellte und ihnen ihren Kastengeist, ihre Starrköpfigkeit und ihren Mangel an Liebe vorwarf. Und die darauf erzürnten Brahmanen begannen, ihn dann zu verfolgen. Nach einigen Jahren kehrte er nach Palästina zurück, und der Bericht gibt dann das wieder, was wir durch die Evangelien kennen, bis zur Kreuzigung. Aber er endet dort nicht. Er berichtet, wie Jesus, der die Qualen des Kreuzes überlebt hatte, von seiner Mutter und vom Apostel Thomas begleitet, nach Indien zurückkehrte, dass er in Kaschmir lebte und dort in einem sehr hohen Alter starb.

Eines Tages wird es Forscher geben, die fähig sein werden zu erklären, wie sich die Dinge wirklich ereignet haben und wie das Leben von Jesus war. Ich überlasse ihnen diesen geschichtlichen Bereich, die Geschichte ist nicht meine Berufung. Es gibt Themen, die mich viel mehr interessieren. Mögen die Spezialisten ihre Zeit der Suche nach Manuskripten und archäologischen Spuren opfern. Ich konzentriere mich hingegen auf die Prinzipien, und ich sage, was ich nach der wahren Einweihungslehre weiß. Sollen andere durch geschichtliche Zeugnisse Bestätigungen geben.

Wer hat gewusst, was mit Jesus wirklich geschehen ist, nachdem Josef von Arimathäa seinen Leib von Pilatus verlangt hatte, um ihn in ein Grab zu legen? Es ist unmöglich zu sagen… Aber man glaubte, dass er gestorben sei, und da die Christen nicht zugeben konnten, dass Jesus, der einzige Sohn Gottes, am Kreuz stirbt, behaupteten sie, dass er auferstanden wäre. Leider ist das nur ein Produkt ihrer Einbildung.

Ihr werdet sagen: »Aber wenn dann nichts von dem, was die Kirche seit Jahrhunderten über den Tod und die Auferstehung von Jesus lehrt, stimmt, dann haben die Christen zu Ostern nichts zu feiern!« Gerade doch, denn die geschichtlichen Tatsachen sind eine Sache und die spirituellen Tatsachen sind etwas anderes. Es stimmt, dass Jesus gekreuzigt wurde, aber ob er am Kreuz gestorben ist oder nicht, ob er auferstanden ist oder nicht, das ändert nichts an dem, was für uns das Wesentliche sein muss. Und das Wesentliche ist zu verstehen, dass die Auferstehung, die wahre Auferstehung, wie sie in der Einweihungslehre verstanden wird, ein psychischer, ein geistiger Vorgang ist. Es gibt keine Auferstehung des Fleisches. Wenn ein Mensch einmal gestorben ist, ist es mit seinem physischen Körper vorbei. Um auferstehen zu können, muss der Mensch lebendig sein und unermüdlich an sich selbst arbeiten, denn in ihm gibt es den Tod – seine Schwächen und Laster. Und über diesen Tod muss er triumphieren.


Das Osterfest. Die Auferstehung und das Leben
Die Auferstehung ist ein geistiger Vorgang der Reinigung und der Erleuchtung, welcher, wenn man ihn bis zu einer bestimmten Intensität...
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